Villa 1900

Die Villa 1900 in Waulsort, Erinnerung an eine vergangene Welt

Eine eindrucksvolle Zeitreise in der Villa 1900 in Waulsort

Erinnerung an eine vergangene Welt

5 min. Auszeit

Ich lade Euch auf eine eindrucksvolle Zeitreise nach Waulsort zum Anfang des 20. Jhs. ein, als die luxuriösen Hotels und Villen an der Maas der Belle Époque rühmten.

 

Informationen
& Buchungen

 

Waulsort, 1900: alles was Rang und Namen hat trifft sich in den Palästen am Ufer der Maas und in irren Villen, die von Glockentürmen und Terrassen im Kolonialstil geschmückt werden. Man will sich zeigen und genießt Bäder in der Maas. 120 Jahre später belibe ich samt Gepäck für zwei Tage in der Villa 1900 und tauche in ein jetzt vergangenes Universum ein. Diane und Olivier lassen mich dieses Ambiente der Eleganten in überschwänglicher Toilette, der Männer mit hohen Hüten, einen Whisky in der Hand, dem Klavierkonzert im großen Saal lauschend, wiedererleben… Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war Waulsort ein eigenes Reich, ein wunderbar müßiges Reich. Es war ein einziges durchgehendes Fest für die große Bürgerschicht: Spiele, Bäder in der Maas, Regatten, Galaabende und so manch verkatertes Erwachen… Die Belle Époque war tatsächlich in Waulsort, diesem kleinen, verlorenen Dorf am Ufer der Maas an der Landesgrenze.

Die Villa 1900, reizendes Retro

 

Als ich die Villa betrete empfängt mich Diane in ihrem 1900-Kostüm. Sie ist, wie andere Mitarbeiter, die Quelle der Inspiration. Gemeinsam haben sie dieses waghalsige Projekt der Wiedergeburt der Epoche in dieser leidenschaftlich restaurierten Villa begonnen. Die Heizkörper sind mit Basreliefs geschmückt, Fliesen, Täfelung und die gesamte Dekoration erinnern ebenfalls an die Inneneinrichtung zu Beginn des 20. Jhs. Das Waulsortium sowie die Hausbesichtigung, Museumsausstellungen, Vortragsreihen und geführte Spaziergänge sind das Ergebnis dieses Projekts.

Diane erzählt mir, dass „die Villa an der Maas mit ihrem Fundament aus Stein und den Querbalken aus Backstein, Zeichen außerordentlichen Reichtums, heraussticht. Die Villen sind alle nach demselben Prinzip erbaut worden. Hohe Keller mit einer Zimmerhöhe wie das Erdgeschoss ermöglichten Hochwasserschutz. Dort befanden sich die Küchen und die Waschküche, die Arbeitsräume des Personals.“ Diane beschreibt mir zudem den alten Speiseaufzug der Villa 1900, der die Gerichte direkt ins Speisezimmer brachte. Sie zeigt mir das obergeschoss: „Im ersten Stock befinden sich die Zimmer des Eigentümers, im zweiten die der Hausangestellten, die an Sommertagen reduziert werden…“ Der Stil des Hauses ist eine Mischung aus Jugendstil und Art déco, der von Horta inspiriert wurde. „Das große Glasfenster gibt den Blick auf eine mit Schnitzereien verzierte Holzterrasse frei.“ Der Einfluss des Kolonialstils aus Britisch-Indien verleiht der Villa ihren Zauber. Am Abend wird mit Fayence und Silberbesteck eingedeckt. Im Nachbarzimmer wartet der riesige Flügel nur auf die flinken Finger der virtuosen Pianistin Adelin Deltenre. Ich lasse den Charme des Hauses auf mich wirken und er verführt mich. Diane bereitet ein geschmackvolles Menü aus lokalen, Fair Trade und gesunden Produkten zu. Ich bin im siebten Himmel und werde wie ein König bedient.

Eine vergangene Welt

Die Gruppe wäre nichts ohne die leidenschaftlichen Mitglieder. Nach einem köstlichen Frühstück am nächsten Morgen wird mich eines dieser Mitglieder, Olivier Gebka, herumführen. Ich folge ihm und verschlinge gierig alles, was er mir auf diesem Spaziergang durch Waulsort zu berichten hat. Er erzählt die Geschichte dieses kleinen Dorfes, dem Zentrum der Welt, und sie fesselt mich. „Die reichen Briten des 19. Jhs. reisen viel und gerne. Sie kommen in das Tal der Maas, um hier den Frieden ihres Mutterlandes zu finden. Sie erfinden einen für Belgier unbekannten Begriff, indem sie das Konzept des Zweitwohnsitzes schaffen… Man muss sich das Bild der Maas dieser Zeit genau vorstellen. Ein nicht kanalisierter Fluss, der an die wilde Loire erinnert und in einer wunderschönen Umgebung ohne Lärm und Straßen fließt. Die Landschaft ist eine einzige verführerische Idylle.“ Schnell werden die ersten Villen gebaut. Reiche Industrieleute Brüssels tun es ihnen nach, das Abenteuer Waulsort nimmt an Fahrt auf. Am Ufer der Maas entstehen Hotels, aber nicht nur irgendwelche, erläutert Olivier: „Wir reden vom Ultra-Luxus. Das Hotel Regnier, Hotel BelleVue, Hotel Belle-Rive, das Grand Hotel der maas und das Hotel Moderne konkurrieren in ihrer Lust und ihrem Komfort.“

Ich forste in meinen Büchern und in meinem Archiv nach: der Begriff „Belle Époque“ traf den Nagel auf den Kopf. Ein Begriff, den die Nachkriegszeit für die längst vergangene Zeit vor 1914 nannte: eine Methode, sich an glückliche, verlorene Zeiten zu erinnern. Aber die Belle Époque war nur „belle“ zu dt. schön, für einen winzigen Teil der Bevölkerung. Vom einfachen Volk aus Frauen, Männern und Kindern, die für die zweitgrößte Weltwirtschaftsmacht schufteten, war nicht die Rede… Wenn sich die Bevorteilten der Gesellschaft in Waulsort auf den Terrassen räkelten, rackerten sich andere an den Palästen und Villen ab. Wäscherinnen, Wartungspersonal, kleine Handwerker und Hotelpagen im Livree mit dem Namen ihres Hotels in Goldbuchstaben, die Gäste am Bahnhof abholten. Dank des Schienennetzes konnte das wohlhabende Bürgertum von Brüssel und Anvers nach Waulsort gelangen. Das Dorf lebte im Takt der Hotels und Villen. Neben den elf Ferienhotels teilten sich zahlreiche Cafés die Straßen und Gassen mit dutzenden Geschäften. Zum Beispiel das von Monsieur Roba gegenüber der Kirche, das mir Olivier zeigt. „Er verkaufte alle möglichen kitschigen Souvenirs und entwickelte im Hinterzimmer Fotografien von Touristen: Er war übrigens Vertragshändler von Kodak.“

 

Die Bewohner profitierten ebenfalls von diesem Ansturm. Lachend erzählt mir mein Guide eine Anekdote: „Georges war Kolonialwarenhändler und vermietete in den Bädern der Maas Kissen: 20 Franken pro Stück und 50 Franken für zwei, er hatte ein Näschen fürs Geschäft! Er hatte auch keine Skrupel zwei unterschiedliche Apfelsorten anzubieten, geringerer Qualität und höhrer Qualität. Letztere war einfach abgerieben und teurer…“ In einer der Straßen hält Olivier vor einer alten Lagerhalle. „Hier druckte die Druckerei Van Loo alle Aufträge der Hotels.“ Van Loo war auch Teil der Belle Époque, da er eine lange Autoreise von Kongo über den Mittleren Orient bis nach Europa wagte. Die „Croisière Chevrolet“ war ein mondänes Ereignis, das die Titelseiten belegte.

Abschied von der Belle Époque

Die schöne Welt lebte in sorgenfrei: in Waulsort sah man den herannahenden Sturm nicht. In den Hotels wandeln sich die letzten Tanzveranstaltungen des heißen Sommers 1914 nur Tage später in einen makabren Todestanz. Ab dem 23. August nach erbittertem Kampf erlebt das Dorf die Besatzung und Übergriffe der Armee des Deutschen Kaiserreiches: von einem Tag auf den anderen verschwand der Tourismus. „Vier Jahre lang legte sich ein dunkler Schleier herab.“ Nach dem Krieg ist die Welt nie wieder dieselbe. Waulsort versucht noch einige Jahrzehnte lang die verlorene Zeit wiedergutzumachen. Die Années Folle sind nur eine schwache Illusion. Der Zweite Weltkrieg und der weltweit aufblühende Tourismus läuten das Ende der Hotels einer anderen Zeit ein. Heute sind die Paläste nur noch große Ruinen, die an der Maas treiben und untergehen. Zufälligerweise stehen bestimmte Villen noch trotz der turbulenten Geschichte. Eine dieser Villen, die Villa 1900, führt die Belle Époque fort: zwar nicht real, aber doch faszinierend und schmerzhaft vergänglich.

Erlebt es selbst

 

La Villa 1900 - Project NOW

Rue des Jardins
5540 Waulsort - Belgien
Tel.: +32 (0)4704 62699

Webseite: www.waulsort.be

 

Die Villa 1900 per Video erkunden

 

Escape Game

In der Villa könnt Ihr das Rätsel von Onkel Albert lösen. Aber wo ist sein Testament? Dieses Escape Game verzaubert die besten Detektive mit der typischen Dekoration von 1900…

 

Informationen
& Buchungen