Foto eines Radfahrers auf der Vennbahn, aufgenommen von Pierre Pauquay

Ich war auf der Vennbahn in drei Ländern unterwegs

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Pierre Pauquay

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Die Ardennen über Täler und Hügel

Kultur und Wanderungen

Auf einer Gesamtlänge von 125 Kilometern durchquert die Vennbahn gleich drei Länder: Europa lässt sich durchaus auch mit dem Rad erleben!

Ich war auf der Vennbahn, einer europäischen radstrecke, unterwegs

Europa mit dem Fahrrad erkunden

120 Kilometer Fahrraderlebnis

Die Vennbahn, welche durch zauberhafte Landschaften wie die Eifel und das Hohe Venn führt, bietet eine wunderbare Möglichkeit mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Diese grüne, geschichtsträchtige Radroute ist wie eine Zeitleiste, auf der wir uns ein paar Tage lang bewegt haben.

1. Dezember 1885: Aufbruchstimmung zieht ins Land... Der Zug, dieser berühmte Zug ist da! Die erste Trassenführung erschließt das Hohe Venn, eine Region, die während der langen Wintermonate einzig über Morsezeichen eines Telegrafen erreichbar war...

Foto der Stadt Aix la Chapelle, Beginn der Vennbahn, aufgenommen von Pierre Pauquay

Im Herzen des Venns, einem riesigen Gebiet von 12.000 Hektar, waren die Lebensbedingungen einst schwierig: Die Bestellung des Landes verlief nur mäßig erfolgreich, das Klima war alles andere als freundlich zu seinen Bewohnern. Die Schaffung einer Bahnlinie sollte das Leben im Hochland nachhaltig verändern. Nach und nach entstanden Bahnhöfe, mit ihnen entwickelte sich die Wirtschaft und der Tourismus hielt Einzug in das Venn. Eine neue Verbindung zwischen den Aachener Zechen und den Stahlbecken Lothringens und Luxemburgs war geboren, welche schlussendlich - zu unserem heutigen Glück - von der Eisenbahn- zur Fahrradstrecke umgewidmet wurde.

Karte, welche den Verlauf der Vennbahn angibt, beginnend in Aix-la-Chapelle bis nach Troisvierges

Wo einst die Eisenbahn Dörfer und Bewohner miteinander verband, sind es heute die Fahrräder, die neue Verbindungen unter den Menschen schaffen. Cafés und Restaurants sind überall entlang der Route zu finden. Die Vennbahn wurde 2013 ins Leben gerufen und hat sich in nur wenigen Jahren zu einer der schönsten, sogenannten "Voies Vertes" Europas entwickelt (diese bezeichnen "grüne", autofreie Fahrradstrecken). 125 Kilometer lang und drei Länder durchquerend, lässt sich Europa entlang der Vennbahn auch mit dem Fahrrad erkunden!

 

Auf ins Hochland
Im Frühling ist es besonders schön, sich schon früh am Morgen in den Sattel zu schwingen und der Kälte des beginnenden Tages zu trotzen. Ausgangspunkt für den ersten Tag der Reise ist die Burg Raeren, die nur wenige Kilometer von der Vennbahn entfernt liegt und die wir über einen alten Bahnhof erreichen, auf dem noch einige alte Lokomotiven stehen. Der autofreie Radweg "Voie Verte" beginnt in Aachen und überquert schon nach wenigen Kilometern die Grenze.

 

In Roetgen wird das Gelände etwas steiler: Trotz des Monats April fröstelt es uns, denn noch so scheint es behält der Winter die Vorherrschaft. Damals, während der noch strengeren Wintern der Vergangenheit, war der Zug oftmals blockiert und nur der Kutscher konnte seine Spuren im tiefen Schnee ziehen und den Austausch mit dem tiefer liegenden Land sicherstellen. Wir erklimmen die alte Strecke mit dem Fahrrad, ohne uns allzu viele Gedanken über die Schwierigkeiten von dereinst zu machen. Auf der "Voie Verte" bleibt der Gesamt-Höhenunterschied gering (kaum mehr als 2,5 % Steigung): Diese nur mäßige Steigung wurde seinerzeit exakt so berechnet, dass die Züge den Anstieg in Richtung des Hohen Venns mühelos meistern konnten.

Schon nach 10 Kilometern auf der Strecke fühlen wir uns wie verzaubert. Montjoie, die mittelalterliche Stadt, empfängt uns in einer Ebene. Ein drei Kilometer langer Umweg bietet die Möglichkeit, diese schmucke deutsche Fachwerkstadt zu erkunden. Ihre Blütezeit erlebte Montjoie gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als Tuche den Reichtum der kleinen Stadt sicherstellten. Ein Reichtum, von der die prächtige und bürgerliche Architektur der Stadt noch heute zeugt.

Foto der deutschen Stadt "Montjoie" mit seinen Fachwerkhäusern, aufgenommen von Pierre Pauquay

Die Fahrradstrecke und ehemalige Bahnlinie durchquert die grüne Lunge der belgischen Provinz Wallonien: Das Naturschutzgebiet des Hohen Venns 

Zug durch das Venn
Weiter geht es auf einer Forststraße in Richtung Ruitzhof, einer deutschen Enklave auf belgischem Gebiet. Die Vennbahn, welche größtenteils in Belgien liegt, hat sie quasi von Deutschland "abgeschnitten": eine weltweit einmalige Besonderheit, wie auch Guantanamo auf Kuba. Weiter geht es in Richtung Süden. Die Strecke führt uns durch das Herz der grünen Lunge Walloniens: das Naturschutzgebiet Hohes Venn! Berauscht vom Duft der wilden Natur rings um uns radeln wir in völliger Seelenruhe, die einzig vom Geräusch unserer Reifen auf dem spiegelglatten Asphalt unterbrochen wird.

Foto der Vennbahn, eine schöne, ebene Fahrradstrecke umgeben von Grün, von Pierre Pauquay
Foto eines abgestellten Rades vor dem aufgelassenen Bahnhof von Sourbrodt, mitsamt seinem alten Wagon, aufgenommen von Pierre Pauquay

Diese Stille wurde einst nur vom Glockengeläut des Zuges unterbrochen, welche die Weiterfahrt zu den Torfmooren ankündigte. In Sourbrodt entdecken wir einen alten Bahnhof im preußischen Stil. Dort musste einst große Aufregung geherrscht haben: Die vielen Gleise die wir hier sehen brachten Waren aus Deutschland und Arbeiter aus dem Lager Elsenborn. Das Stellwerk, die langen Bahnsteige und die alten Waggons lassen noch heute die Bedeutung dieses Eisenbahnknotens erahnen, an dem sich vieles abgespielt haben muss.

Selig radeln wir weiter in Richtung Bütgenbach, als der Tag über dem Hohen Venn schon seinem Ende zugeht und die Sonne bereits tief am Horizont steht. Ganz für uns und glücklich, diesen ersten Teil der Radstrecke im Herzen des Venns für uns entdeckt zu haben.

Vom Hochplateau ins Our-Tal
Am nächsten Tag verlassen wir die Moorlandschaft, um eine andere, noch naturbelassenere Landschaft zu finden. Hier, in der Region von Waimes, finden wir viele, typisch angelegte Hecken: Als Radfahrer schätzen wir deren Schutz vor dem Wind. Die Vennbahn führt uns weiter nach Montenau. Noch immer spüren wir hier die Nachwehen eines regelrechten Goldrausches, der während der 1880er Jahre stattgefunden haben muss: Das Goldwaschen wurde auch nach dem Ersten Weltkrieg noch fortgesetzt, wenngleich selten mehr als ein paar kleine Nuggets gefunden worden waren ...

Foto eines schönen Tages entlang der Vannbahn, nahe Montenau, aufgenommen von Pierre Pauquay

Das Dorf ist auch die Wiege des köstlichen Ardenner Schinkens, hergestellt in reinster Handarbeit und mit viel Liebe zum Handwerk. Geräuchert wird nach alter Tradition, mit Buchenholz und Wacholderbeeren. Alleine bei dem Gedanken läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Gut, dass wir unser Opinel-Messer eingepackt haben, denn das Picknick verspricht an diesem Tag herrlich zu werden... In Born kreuzt unsere Strecke diejenige, die von Vielsalm kommt und die die deutschen Armeen während des Ersten Weltkrieges an die Front führte. Heute ist das einzige, noch aus dieser Zeit übrig gebliebene Landschaftsmerkmal ein majestätische Viadukt über dem kleinen Dorf, das während des Ersten Weltkriegs in aller Eile gebaut wurde. Ein Viadukt, von russischen Häftlingen errichtet, von denen mehr als zweitausend niemals in ihre Heimat zurückgekehrt sind ...

Nach Saint-Vith führt die Vennbahntrasse durch das Our-Tal: Seine geografische Besonderheit machte es zu einer berühmten Herausforderung für die Eisenbahningenieure der damaligen Zeit.

Foto des Fahrrades vor dem Wegweiser Richtung Lommersweiler, auf dem Radweg Vennbahn, aufgenommen von Pierre Pauquay

Ein Höllenlärm
Der Weg führt weiter über den von der alten Bahnlinie gebildeten Pass und durch ein Flusstal, welches uns eine weite Landschaft offenbart. Wir überqueren schöne Brücken und sogar einen beleuchteten Tunnel. Wenn man heute auf dieser ruhigen Strecke mit dem Fahrrad fährt, kann man sich kaum vorstellen, welchen Bahnverkehr (und damit auch welchen Lärm) es zu Beginn des letzten Jahrhunderts am Bahnhof Lommersweiler gab.
Um 1900 erschloss die Ankunft der Eisenbahn eine Region, die bislang von allen anderen Handelswegen isoliert geblieben war. Der Handel begann sich zu entwickeln: Männer und Frauen nahmen den Zug, um anderswo zu arbeiten oder ein neues Leben zu beginnen. Auf dem Höhepunkt der industriellen Revolution war die Linie 47 eine lebenswichtige Wirtschaftsader für das preußische Reich. Sie brachte Kohle aus den Zechen bei Aachen in die Eisen- und Stahlindustrie Lothringens, die nach dem Krieg von 1870 deutsches Gebiet wurde.

Die Gegensatz von damals zu heute könnte nicht größer sein: In dieser kleinen Ecke des Paradieses verkehrten einst lange Züge, Rauch und Ruß spuckend, auf dem Weg in Richtung Burg-Reuland. Und es gab nicht wenige Unfälle... Mehr als hundert Züge fuhren hier jeden Tag vorbei: Stellt Euch nur den entsprechenden Lärm vor! Die "Voie Verte" führt uns schließlich weiter in Richtung Burg-Reuland. Hier treffen wir auf eine andere, sehr schöne Strecke entlang der Wiesen, die das Tal der Our durchziehen. Die Feuchtwiesen im Brachland bieten Nistplätze für eine Vielzahl an Vogelarten, wie Trauerschnäpper, Wiesenpieper, Rohrammer, Bachstelze oder Rohrweihe.

Skizzenhafte Zeichnung einer Rohrweihe, von Pierre Pauquay

Dank des komplett neu asphaltierten Radweges ist der weitere Streckenverlauf sehr angenehm zu befahren. Am Ende des Tages erscheint die Festung Burg-Reuland am Horizont. Der "Bergfried" oder Kerker geht auf das 10. Jahrhundert zurück, auf die Zeit der Normanneneinfälle. Die Festung widerstand den Kriegen Ludwigs XIV. und der Österreicher, aber der Siebenjährige Krieg erwies sich als fatal. Im Jahr 1759 brannten die französischen Truppen die Festung nieder, welche nie wieder aufgebaut wurde.

Foto mit Blick auf Burg-Reuland, von Pierre Pauquay

Kurz nach Oudler gelangen wir nach Langler, in das letzte belgische Dorf vor der luxemburgischen Grenze. Bald schon werden wir in Troisvierges, dem Ziel unserer Reise eintreffen. Es war eine Reise frei nach dem Motto des berühmten "Slow Travel", eine Reise die uns von der ruhigen Atmosphäre der "Voie Vertes" beschwingt zurückließ... Und was für einen spannenden Gegensatz diese Strecke bietet! Einst spuckte die Vennbahn Ruß und Rauch, vom Moor bis in die Eifel, heute ist die gesamte Vennbahnstrecke eine grüne Lunge, die nur Fahrradfahrern zugänglich ist. Was für eine Veränderung!

Ich möchte auch so etwas erleben!

 

Überblick über die Vennbahn

Strecke: 125 Kilometer von Aix-la-Chapelle in Deutschland bis nach Troisvierges in Luxemburg
Markierung: Man folgt den allzeit gut ausgewiesenen Schildern zur Vennbahn.

Start: Die Vennbahn (Linie 38) beginn amt Bahnhof von Aix-la-Chapelle. Für uns beginnt die Reise schon in Raeren, einem belgischen Dorf rund 22 Kilometer von der deutschen Stadt entfernt.
Ende: Die Vennbahn endet in Luxemburg, in einem Ort namens Troisvierges, ebenfalls am Bahnhof.
Rückkehrmöglichkeiten: Von Troisvierges aus könnt Ihr mit dem Zug nach Aix-Ls-Chapelle (über Liège-Guillemins) zurückfahren (Reisezeit: rund eineinhalb Stunden), sowie Welkenraedt oder Verviers Central passieren

 

Nächtigungsmöglichkeiten

Die Vennbahn ist gesäumt von "bed+bike"-Unterkünften, die die nötige Ausstattung und Infrastruktur bieten, um Euch mit dem Fahrrad zu empfangen. Zahlreiche Schilder entlang der Radstrecke weisen auf diese Art von Unterkunftsmöglichkeiten hin.

 

Nähere Informationen: www.vennbahn.eu

Hier findet Ihr eine Auswahl an Nächtigungsmöglichkeiten und Gastronomiebetrieben, die allesamt mit der regionalen Qualitätsmarke “Ardennen” ausgezeichnet wurden