Unser nächtlicher Spaziergang auf den Spuren brünftiger Hirsche
Ungewöhnlich
Von Mitte September bis Mitte Oktober gibt es für junge und alte Hirsche nur ein Ziel: Weibchen zu decken, zu gewinnen und zu halten. Die Brunftzeit der Hirsche ruft immer mehr Menschen auf den Plan, sich in die Wälder der Ardennen zu begeben und diesem einzigartigen Schau- bzw. Hörspiel beizuwohnen. In einer Skihütte in Samrée in Belgien organisiert die örtliche Naturschutzbehörde und das Forstamt Abende, in denen man den brünftigen Hirschen nachspüren kann. Wir haben an just so einem teilgenommen.
Als wir in der kleinen Hütte in Samrée ankommen, ist der Raum voll. Etwa 50 Personen haben sich hier bereits eingefunden. Wir finden gerade noch einen Platz auf einer der Bänke. Die Angestellten der Naturschutzbehörde erklären uns zunächst das Verhalten der Hirsche während der Brunftzeit, und es wird ein kurzes Video gezeigt.
Im Prinzip läuft es darauf hinaus, dass junge Hirsche ohne Herde nur ein Ziel verfolgen: Weibchen für sich zu gewinnen. Ältere Männchen mit Herde sind darauf bedacht, diese in Kämpfen zu verteidigen, und mitunter auch andere Weibchen aus benachbarten Herden anzulocken.
Streng überwachen die "Platzhirsche" ihre Weibchen, mitunter 30 Tiere, paaren sich regelmäßig mit ihnen und halten jüngere Hirschen fern, die ihr Glück versuchen. Der siegreiche Hirsch stößt den berühmten, lauten Brunftschrei aus. Nicht selten kommt es zu Kämpfen, in denen die Hirsche ihre Geweihe zusammen schlagen, sich verheddern und stecken bleiben. Wild geht es dabei zu, das auf alle Fälle.
So leise wie möglich sein
Nach all diesen Erklärungen ist der für uns sehnlich erwartete Moment gekommen. Um sich den Hirschen zu nähern und ihre berühmten Schreie aus nächster Nähe zu hören gilt es, so wenig Geräusche wie möglich zu machen. Als Fluchttiere sind sie andernfalls sofort verschwunden. Unsere große Gruppe teilt sich in mehrere kleine auf, um Fahrgemeinschaften in den Wald hinein zu bilden. Der Ort, an den uns die Förster bringen, ist während der Hirschbrunft für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Wer tagsüber dorthin möchte, hat mit einer satten Geldstrafe zu rechnen. So sehr gilt es, die sensiblen Hirsche während der Brunft nicht zu stören.
Sobald wir uns alle am Waldrand eingefunden haben, bilden wir zwei Gruppen und gehen in verschiedene Richtungen, um so die Chancen zu erhöhen, die Hirsche zu hören. Wir gehen mindestens eine halbe Stunde lang in engen Reihen, bevor wir auf einer Lichtung stehen bleiben. Es ist so dunkel, dass wir kaum die Spitzen unserer Schuhe sehen können. Aufgrund unserer Gruppengröße scheint mir, dass wir nicht wirklich geräuschlos unterwegs sein können.
Plötzlich, der Ruf eines männlichen Hirsches in der Ferne... dann wieder Stille. Nichts.
Der Wald ist nachts so still, dass wir nur uns selbst, das Reiben unserer Jacken, das Stampfen unserer Schritte, und unser gelegentliches Flüstern hören können... Auf der Lichtung konzentrieren wir uns darauf, auch nur das geringste Geräusch wahrzunehmen. Und siehe da, plötzlich ertönt in der Ferne das Brüllen eines Männchens. Dieser Ton dauert kaum fünf Sekunden und wiederholt sich zu unserem Leidwesen kein weiteres Mal! Wir räumen dennoch zufrieden das Feld, und hoffen beim nächsten Mal mehr zu hören!
Die andere Gruppe hat noch weniger Glück; sie hört auf ihrer Tour durch den Wald absolut nichts. Wir kehren alle zur Hütte zurück, genehmigen uns noch ein Heißgetränk und brechen danach auf.
Tatsächlich ist es so, dass es keinerlei Gewissheit gibt, das Brüllen der Hirsche zu hören. Als wilde Tiere sind und bleiben sie unberechenbar, und sind zudem imstande, die Anwesenheit des Menschen kilometerweit zu spüren. Dies betonen auch die Ranger. Wenn wir in der Ferne das Brüllen eines Hirsches hören, hat sich vermutlich gerade der Wind gedreht und ihm unsere Anwesenheit über unseren Geruch verraten. So wird es wohl oder übel gelaufen sein.
Trotz dieser kleinen Enttäuschung lassen wir uns den Abend nicht verderben. Allen Naturliebhabern sei dieses Schauspiel definitiv empfohlen.
Achtet bei einer nächtlichen Tour durch den Wald wie dieser auf die üblichen Vorsichtsmaßnahmen: Gutes Schuhwerk, kein Parfüm, keine Hunde, möglichst wenig Lärm und eine Jacke, die so wenig Reibungsgeräusche wie möglich verursacht. Details wie diese sind wichtig, wenn eine Gruppe von gut 50 Personen des Nächtens im ansonsten totenstillen Wald spazieren geht. Und vielleicht habt Ihr ja mehr Glück und hört einen der großen Platzhirsche aus nächster Nähe röhren!
Das Erlebnis mit einem Aufenthalt in einer Jagdlodge erweitern
Um dieses besondere Erlebnis in Samrée rundum zu genießen, übernachten wir im nahe gelegenen La Roche-en-Ardenne. Die dortige Lodge ist mit dem Gütesiegel "Logis de Belgique" ausgezeichnet. Michel Son, der Gastgeber von "La Claire Fontaine", empfängt uns äußerst freundlich und erklärt uns die Vorzüge dieses Gütesiegels, das uns schon manchmal auf unseren Reisen in den Ardennen aufgefallen ist.
Tradition, Gemütlichkeit, lokale Gastronomie, familiärer Empfang... Wer eine Jagdlodge betreibt, kennt seine Region auswendig. Michel Son bildet da keine Ausnahme. Seine Familie betreibt diese Lodge seit 1947, die Auszeichnung "Logis de Belgique" besteht seit etwa zehn Jahren. Während der Jagdsaison genießen wir "aus nächster Nähe": Auf unseren Tellern finden sich Gemüsesuppe aus dem Garten und gebratene Stockenten!
Alles in allem können wir sagen, dass wir den nächtlichen Ausflug wirklich genossen haben, auch wenn wir die Brunft der Hirsche nicht vollständig erleben konnten. Der Ausflug in die absolut stille, nächtliche Natur war dennoch spannend. Und auch die Atomsphäre eines Dorfes, in dem die Tradition der Jagd noch sehr präsent ist.
Ich möchte auch so etwas erleben!
Skihütte in Samrée
6 Euro Unkostenbeitrag pro Teilnehmer
+32 49 93 55 115
Toussaint_francis@yahoo.fr
Hotel "La Claire Fontaine"
Rue Vecpré, 64 (Route de Hotton - N833)
6980 La Roche en Ardenne - Belgien
Tel.: +32 84 41 24 70
Fax: +32 84 41 21 11
info@clairefontaine.be
clairefontaine.be
Ein immenses Röhren, das noch lange in den grünen Lungen der Ardennen nachhallt!